KZ-Häftlinge arbeiten mit an einem Schandmal in Berlin
von Sören Thornye

Peder Söegaard war KZ-Häftling während des Krieges. Nun trägt er zusammen mit 1.000 anderen ehemaligen KZ-Häftlingen aus der ganzen Welt dazu bei, ein Mahnmal in Berlin zu errichten.

Ungefähr 2.000 Stunden wird es dauern, einen Strich für jeden Menschen zu setzen, der dem Vernichtungsprogramm Hitlers zum Opfer fiel.

Als einer der dänischen Überlebenden von Hitler-Deutschlands Konzentrationslagern ist Peder Söegaard mit dabei, diese Striche zu ziehen. Die Striche sind ein Teil des Schandmals für das nazistische Regime, das der dänische Bildhauer Jens Galschiot sobald wie möglich in Berlin errichten wird.

Peder Söegaard ist heute 82 Jahre. "Bald 83", sagt er, aber er berichtigt sich schnell selbst: "In meinem Alter kann man den nächsten Geburtstag nicht mehr als selbstverständlich nehmen." Als Arzt weiß er gut, worüber er spricht und sieht ohne Ironie auf den Interviewer, der ihn 10 Jahre jünger geschätzt hatte.

Während des Krieges arbeitete Peder Söegaard als Mitglied des dänischen Studenten-Bundes mit dem Druck der illegalen Zeitschrift, "Frit Danmark" (Freies Dänemark). 1943 wurde er von den Deutschen gefangen genommen und nach drei Monaten in einem Gefängnis in Kopenhagen, ins KZ-Lager Sachsenhausen bei Berlin gebracht. Dort befand er sich als KZ-Häftling bis zum Ende des Krieges. Auf diese Weise bekam er ein sehr nachhaltiges und persönliches Erlebnis von Hitlers Vernichtungsapparat.

"Auch wenn es Verbrechen genauso lange existieren, wie es Machtmenschen gibt, waren die Untaten der Nazisten etwas einzigartiges. Sie waren die bis jetzt am erfolgreichsten industriell durchgeführten politischen Verbrechen, die wir erlebt haben. Auschwitz war Mord am Fliessband, und das Aushungern und die Verelendung der Häftlinge mit unzähligen Todesfällen in den anderen Lagern gingen genauso systematisch vor sich."

Peder Söegaard meint selbst, dass er den Lageraufenthalt nur mit Hilfe der Lebensmittelpakete überlebt hat, die vom Roten Kreuz gesendet wurden. Trotzdem war er sehr stark ausgehungert, als die Befreiung endlich nahte. Er hält an der Notwendigkeit fest, dass es weiterhin wichtig sei, an die Ungeheuerlichkeiten der Nazis zu erinnern. Ein Mahnmal in Berlin zu errichten, wird eine Erinnerung an die mindestens 10 Millionen Menschen, die systematisch vernichtet wurden, darstellen. Nicht nur Juden, auch Zigeuner, Homosexuelle, Slawen und Regimegegner in breitem Verstand.

Der Deutsche Staat hat sich nun dazu entschlossen, um den vielen Millionen Juden, die von den Nazis ermordet wurden, zu gedenken, ein Monument zu errichten. Und das ist nur recht und billig, dass man ein solches Monument errichtet, meint Peder Söegaard. Aber weil das Monument des Deutschen Staates nur dazu gedacht ist, den jüdischen Opfern zu gedenken, braucht man ein Mahnmal, das nicht nur Juden, sondern auch allen anderen Gruppen und Völkern, die dem Rassismus der Nazis zum Opfer fielen, gedenkt.

"Heute, wo man in Gedankenlosigkeit alles mögliche andere mit einem Konzentrationslager vergleicht, ist es wirklich notwendig daran zu erinnern, wie ungeheuerlich es wirklich war," sagt er.

Sein Beitrag zum Schandmal in Berlin ist, 10.000 Striche zur Erinnerung zu zeichnen um damit 10.000 umgekommenen Mithäftlingen zu gedenken. Die Striche werden auf ein großes Blatt Papier gezeichnet, und dann mit Hilfe von Fototechnik auf eine Kupferplatte übertragen. Die Platte signiert Peder Söegaard mit seiner Gefangenennummer von Sachsenhausen. 10.000 Striche sind viel, wenn sie von Hand gezeichnet werden. Aber Peder Söegaard verteilte die Arbeit über zwei Tage. Die Platte ist aufgeteilt in 20 Felder mit jeweils 500 Strichen in jedem Feld. "Es dauert 5 Minuten um ein Feld auszufüllen. Wenn man ein Feld nach dem anderen bearbeitet, und zwischendurch etwas anderes macht, kann man in Ruhe seine Arbeit machen, ohne Krämpfe in der Hand zu bekommen," sagt er. Insgesamt werden 1.000 Kupferplatten in das Monument in Berlin eingehen, um an die mehr als 10 Millionen Menschen zu erinnern, die als Opfer von Hitlers Vernichtungsprogramm umgekommen sind. Für jedes Opfer wird ein Strich stehen.

Peder Söegaard ist der erste, der eine Platte fertig bearbeitet hat. Wann die letzte Platte mit Erinnerungsstrichen voll sein wird, ist im Moment noch nicht überschaubar, denn ein Teil der Idee ist, das überlebende Konzentrationslager-Häftlinge aus der ganzen Welt an diesem Projekt teilnehmen sollen. Vorläufig haben sich deutsche und norwegische KZ-Organisationen in Europa und USA sehr positiv für die Idee ausgesprochen. Auch die Zigeunerorganisationen in Europa und USA haben sich positiv für ihre Teilnahme an dem Projekt ausgesprochen, was sie als weiteren Schritt in der Rehabilitation ihres Volkes betrachten.

Inzwischen sind so viele Jahre seit Kriegsende vergangen, dass die Überlebenden aus den Lagern aufgrund ihres Alters langsam wegfallen. Unter den mehreren Hundert überlebenden Dänen von Sachsenhausen sind heute nur fünfzig übrig. Und nur die Wenigsten erfreuen sich guter Gesundheit. Deshalb meint Peder Söegaard, dass die Fertigstellung der vielen Platten, beschleunigt werden könnte, wenn sich einige jüngere Helfer der praktischen Dinge annehmen könnten, wie z. B. die ausgefüllten Papierbögen zur Post zu bringen.

Das Schandmal in Berlin wird das vierte sein, das als Protest gegen den Übergriff auf die Menschenrechte, errichtet wird. Es wurden schon früher Schandmale in Hongkong, in Mexiko und in Brasilien errichtet. Dass das Schandmal in Berlin ein Glied in dieser weltumspannenden Manifestation ist, sieht Peder Söegaard als eine Stärkung der Idee. Weil sich die Aufmerksamkeit auf diese Weise darauf richtet, worauf sie sich seiner Meinung nach richten sollte: Auf den Kampf für den Respekt für Menschen. 1


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